Früher hieß es, dass jeder Mensch etwa einmal in seinem Leben eine Zaubershow live erlebt. Heute ist das vermutlich ein wenig anders, aber hast du schon mal eine Zauberin live gesehen?
Schauen wir uns die Zahlen an: Zauberer sind ja bekanntlich an sich schon eine seltene Gattung. In Deutschland bei etwa 4-5000 professionellen Zauberkünstlern insgesamt kommt auf je 20.000 Einwohner ein Zauberer oder eine Zauberin. Wenn man sich auf Zaubertreffen so umschaut, sieht man nur manchmal ein weibliches Gesicht. Je nach Gelegenheit ist jeder 10te-50ste Zauberer weiblich. Viele Zauberinnen machen auch einfach nur ihr Ding und treffen sich eher selten mit Kollegen, daher schätze ich dass es etwa 300-500 professionelle Zauberinnen im deutschsprachigen Raum gibt.
Die nächste Frage ist dann gleich: Wie kommt’s?
Gesellschaftliche Normen
Genauso wie es den Pfarrer, die Ballerina, den Handwerker und die Krankenschwester gibt. Es ist einfach nicht die Norm. Oft muss sogar ein neuer Name erfunden werden um dem anderem Geschlecht überhaupt den Zugang zu einem Beruf zu schaffen, z.B. Krankenpfleger oder Erster Tänzer. Unterbewusst steuert diese Norm das Verhalten der Menschen, so dass es oft zur selbsterfüllenden Prophezeiung kommen kann.
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte: In Zeiten der Hexenverbrennungen war es besonders für Frauen aber auch für Männer gefährlich aufzufallen. Auch danach waren Macht und Geld in Männerhand und damit auch die Möglichkeit sich gefahrlos in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die formale monetäre und berufliche Abhängigkeit von Frauen fand erst 1977 mit der Reform des Ehe- und Familienrechts ein Ende. Bis heute sind viele Frauen insbesondere mit Kindern praktisch von Männern abhängig, weil die finanziellen und gesellschaftlichen Vorteile für Männer im Schnitt so hoch sind, dass es für viele Frauen ein Leben mit einem x-beliebigen Mann besser ist als ohne.* Für Frauen meiner Generation bleibt eine Karriere generell schwierig. Einen künstlerischen Beruf ernsthaft zu verfolgen hat nochmal seine ganz eigenen Herausforderungen.
Einstiegshürden
Männer nutzen Zauberei häufig um Leute zu beeindrucken. Selbst mit einem kleinen Trick wird am Anfang relativ viel Wirkung erzielt. Das Verhältnis Nutzen zu Aufwand ist am Anfang recht hoch. Diese Selbstdarstellung wird bei Männern und Frauen immer noch unterschiedlich wahrgenommen. Als Frau mit dem einzigen Thema „Schau her was ich kluges oder schlaues kann“ zu überzeugen, ist schwer, wenn es keine zusätzliche hübsche Komponente hat. Wenn Frauen sich in der Präsentation dem klassischem Rollenbilder hingeben und Zauberei eher nutzen um eine positive Grundstimmung zu erzeugen, wird auch der Zaubertrick in Kauf genommen. Dazu reicht aber kein Trick à la „Schau mal was ich tolles kann – und du nicht.“ Um mit Zauberei für ein gutes Klima zu sorgen, braucht es mehr als nur einen Trick um gut da zu stehen.
Beschreibungen und käufliche Tricks sind häufig für Männer optimiert. Es wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass jede Hose vier Taschen besitzt. Zwei vorne und zwei hinten. Jede Frau weiß, dass sie froh sein kann, wenn sie wenigsten vorne zwei Taschen hat und vielleicht noch eine hinten. Bei Röcken und Kleidern wird’s richtig kritisch. Etwas in die Tasche wandern lassen, funktioniert nicht, ist ja keine Tasche da. Die Zauberlady muss häufig einfach schon mehr Energie in bereits „fertige“ Tricks stecken. Langfristig ist das sicher von Vorteil, für den Einstieg aber wenig förderlich.
Förderung
Ein motorischer Spieltrieb wird vor allem bei Jungs als etwas Positives gesehen und gefördert. Beim Basketball oder Fußball gibt es häufig einige Jungs, die ein paar nette Tricks mit Bällen können. Manche stecken ihre Energie lieber in Karten (z.B. XCM= Extreme Card Manipulation), was beim Zaubern natürlich auch nicht schadet. 😉 Schon Babys bekommen unterschiedliche Spielzeuge vorgesetzt, wodurch natürlich wieder unterschiedliche Grundfähigkeiten gefördert werden.
Bevor es das Internet gab, war der Zugang zu magischem Wissen stark reglementiert. Die Zauberer trafen sich in Zirkeln, die es auch heute noch gibt und die auch heute dem Austausch dienen. Im Gegensatz zu früher sind Frauen heutzutage zumindest in Deutschland und vielen anderen Ländern willkommen. Früher konnte man nur in eine öffentliche Bibliothek gehen und mit viel Glück gab es dort ein Zauberbuch für Anfänger. Über die Fernleihe konnte man sich weitere Bücher leihen, aber ohne die entsprechenden Titel zu kennen ist das ein schwieriges Unterfangen. Die besten Chancen war es einen Vater zu haben, der Zauberkünstler war. Auch heutzutage haben viele Stars und internationale Zaubertalente magische Eltern und damit einen großen Vorteil. Mit dem Internet und besonders auch mit YouTube gibt es die Möglichkeit wesentlich uneingeschränkter die Zauberkunst zu erlernen.
Auch wenn viele Normen und Wege in die Zauberei für Männer gemacht sind, hält es manche Frauen nicht davon ab Zauberkünstlerin zu werden. In den letzten Jahren durfte ich sehr viele unterschiedliche zaubernde Frauen kennen lernen und freue mich, dass sie mehr und mehr an Sichtbarkeit gewinnen.
*Frauen müssen in bezahlen Berufen für gleiches Geld mehr arbeiten. Frauen wird im Schnitt im Beruf wie zu Hause mehr Carearbeit aufgebürdet. Frauenberufe werden systematisch geringer bezahlt. Erhöht sich der Prozentsatz von Frauen in einem Beruf, verringert sich die Bezahlung und anders herum. Zumindest war das im Bereich der Informatik so. Frauen sind häufiger Alleinerziehende, die als Single mit Kind pro verdienende Person die höchste Steuerlast tragen.